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Neues aus der Welt des E-Sports

E-Sport: Die ignorierte digitale Kultur mit Millionenpublikum

Der Anfang

E-Sport bleibt ein Phänomen, das mittlerweile von vielen bereits mit großer Euphorie verfolgt aber auch praktiziert wird. Gerne liest man, dass Jugendliche nach einem einzigen Turnier zum Millionär werden. Was ist die Faszination hinter E-Sport, warum betreibt man ihn? Warum sollte die Gesellschaft einen größeren Blick darauf werfen? Und vor allem, warum ist er berichtenswert? Eine Reise, die versucht, Antworten zu liefern.

E-Sport ist ein Phänomen, das bleiben wird. Die Jugendlichen lieben es, sich in digitalen Spielen zu duellieren und werden es weiter tun, egal ob Millionen von Menschen zuschauen oder nicht. Deshalb sollte man das Thema aufgreifen und am Ball bleiben, wenn man ein ernstzunehmendes Medium sein will.

Alexander Amon

Die Frage führt natürlich zu den Journalisten, die für die Gesellschaft nach ihrem Selbstverständnis versuchen, das Geschehen dieser Welt zu dokumentieren. Nach einer intensiven Recherche via Internet zeigten sich in der Republik Österreich vor allem drei Herren für das Thema E-Sport befähigt. Den Anfang macht Alexander Amon, der Journalist war einer der ersten Österreicher, die sich professionell mit E-Sport beschäftigt haben. Sein Artikel, der im Jahr 2015 erschienen ist, ließ erstmals ein größeres Publikum über E-Sport Tatsachen zu lesen. Der Artikel „E-Sport: Massenphänomen einer neuen Generation“ gilt als ein wichtiges Dokument in der neueren Berichterstattung.

E-Sport interessiert

Doch wie fand Amon überhaupt zu der Thematik E-Sport? „In Österreich interessierte sich kein Medium wirklich für das Thema. Es gab immer wieder einmal Meldungen in Tageszeitungen, wenn ein internationales Turnier eine neue Rekordsumme aufgestellt hat, aber auf die heimische Szene wurde vergessen. Deshalb habe ich damals die Chance ergriffen, als ich bei Red Bull als Content-Schaffender tätig werden konnte und stellte Teams auf der Website vor, interviewte Influencer der Szene und habe dazu meinen Anteil beigesteuert, das Thema ein paar mehr Leuten vorzustellen.“, so Amon. Danach ließ er jedoch den Einblick gewähren, dass seine Hauptmotivation vor allem durch das eigene Videospielen entstanden ist und er bereits seit vielen Jahren als E-Sportfan das Geschehen verfolgt.

Gleiches gilt auch für Daniel Koller, der dem Journalismus eigentlich bereits abgeschworen hat und sich dieser Tage als Content-Verantwortlicher für eine Immobilienfirma versucht. Dennoch ist er ebenso ein wichtiger Ansprechpartner zu der neuen Kultur-Bewegung. Koller war nämlich wie Amon mittlerweile auch bei der Tageszeitung „Der Standard“ angestellt. In dieser Tätigkeit berichtete er äußerst intensiv über die Vorgänge einer geheimnisvollen Szene, jedoch nicht immer mit dem gewünschten Erfolg.

Österreich ist ein konservatives Land, in dem „neuen” Entwicklungen anfangs viel Skepsis und Missgunst entgegenschlagen. Das ist auch beim E-Sport der Fall. Generell sind wir kein wirklich “digitales“ Land – es wird also noch eine Weile dauern, bis in Österreich der E-Sport Akzeptanz findet.

Daniel Koller

Jedoch sieht Koller im Moment die Berichterstattung unter besonderen Druck. Denn wie auch Amon weiß er zu berichten, dass die E-Sportberichterstattung nicht unbedingt die klick-trächtigsten Artikeln sind. Und in Zeiten, in denen Medien um ihr Überleben kämpfen, können Artikel, die wenig Aufmerksamkeit bekommen, auch einen Konflikt darstellen.

Mit seiner E-Sportorganisation versucht Patrick Krippner auch immer wieder für wohltätige Zwecke, Spenden zu sammeln.

Der dritte Pionier der E-Sportberichterstattung nennt sich Patrick Krippner, unter seiner Verantwortung entschied das Sportmagazin Laola1, als erstes Sportmagazin in Österreich überhaupt, eine E-Sportsektion zu eröffnen. Auch Krippner, der nebenbei noch federführend einen E-Sportverein mitgestaltet, weiß ähnliches zu erzählen, dass es sehr schwierig sei, in allen Bewerben ein Grundwissen zu erreichen. Aber auch die Leser*innen seien eine gewisse Hürde.

„Eine weitere Herausforderung ist die schnelle Ablehnung von Lesern, die noch nichts mit E-Sport zu tun hatten. Hier findet man sich als klassisches Sportmedium schnell mit negativen und teils sogar beleidigenden Kommentaren konfrontiert, die, bei aller Professionalität, dennoch etwas belasten und die Motivation hemmen.“

Patrick Krippner

Innensicht der Dinge

Mario Neuhold ist das Gegenteil von einem Journalisten. Sein Interesse an E-Sport beläuft sich weniger an den Ergebnissen und Turnieren, sondern viel mehr die E-Sportler in Österreich zu fördern. Dafür rief er einst die Plattform alpenScene ins Leben, um auch noch 10 Jahre nach der Gründung stets seine Freizeit zu investieren. Im Moment veranstaltet er gemeinsam mit anderen Freiwilligen die größte Counter-Strike: Global Offensive-Liga in Österreich. Die Turnierserie fand in den österreichischen Onlinemedien kaum Beachtung, auch wenn zu Spitzenzeiten über 35 Teams mit knapp 180 Spielern mitwirkten. Die Geschichte von Neuhold ist jedoch keine ungewöhnliche, denn in der österreichischen E-Sportgesellschaft sind fast alle handelnden Personen gemeinnützig „angestellt“. Das intrinsische Motiv steht am Ende im Mittelpunkt und nicht die Profitorientierung, wie später noch genauer erklärt wird.

Neuhold(rechts) stellte das Foto im Zuge der Reportage zur Verfügung um auch die Leichtlebigkeit der Kultur zu unterstreichen.

Jedoch meint auch Neuhold: „E-Sport braucht die traditionellen Medien nicht.“ Der E-Sport hat seine eigenen Kanäle entworfen. Daniel Neumann der „Head-of-Content“ bei der österreichischen E-Sportorganisation plan-B gab tiefe Einblicke, wie E-Sportorganisationen in Österreich funktionieren. Der E-Sportmarkt wächst jährlich und wird wohl auch bis auf Weiteres Wachsen.

Der Zuseher*innenmarkt wächst immer weiter. 2024 sollen bereits über eine halbe milliarde Menschen regelmäßig E-Sportevents verfolgen. Quelle: Statista

Die Welt ist schnelllebig geworden. Auch wenn die Welt im Moment von einem Virus in Gefangenschaft genommen wurde, scheint es die oberste Priorität zu bleiben, dass man sofort reagieren kann, wenn eine Interviewanfrage gestellt wird. Denn wenige Minuten später, nachdem die Anfrage Neumann erreicht hatte, kam sofort die Antwort mit „Jetzt gleich?“. Spontanität scheint ein wesentliches Merkmal der E-Sportwelt zu sein. So wurde ein fast 50-minütiges E-Sportgespräch aufgenommen, dass einen sehr guten Überblick über die österreichische E-Sportseele gibt.

Suche nach Antworten

Neumann machte sich zu Beginn sogar die Mühe, seinen alternativen Nicknamen „fr0wnd“ zu nennen. Denn im E-Sport sind Klarnamen eine Rarität. Während der Student in seinem Brotberuf, dafür verantworlich ist, dass Firmen passende Marketingkampagnen erhalten, steht er in seiner Freizeit einer der bekanntesten E-Sportorganisation Österreichs zur Seite. plan-B esports ist bereits im Jahr 1996 gegründet worden und kann mittlerweile auf prominente Unterstützer wie Wien Energie zurückblicken.

Neben Wien Energie investieren auch andere Konzerne in Österreich in den E-Sport:

  • Willhaben
  • RedBull
  • Erste Bank Group
  • A1
  • Magenta

Um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Der E-Sport findet immer mehr Anklang bei Firmen, denn so erreichen sie auch eine Zielgruppe, die keine traditionellen Medien mehr liest, schaut oder hört. Das wird auch im Gespräch offensichtlich, aber man hört ähnliche Aussagen wie zuvor schon aus Neuholds Mund. Koller fasst es prägnant zusammen:

Weil es ein Sport der Zukunft ist und die Massenmedien bereits zu viele Rezipient*innen an Plattformen wie YouTube, Reddit und Twitch verloren haben. Professionelle E-Sport-Berichterstattung könnte auch in traditionellen Medien sicher seinen Platz finden – es braucht aber Ressourcen und Durchhaltevermögen.

Daniel Koller

Schon der irische Schriftsteller Oscar Wilde meinte einst: „Die Zukunft gehört denen, die die Möglichkeit erkennen, bevor sie offensichtlich wird.“ Dieser Gedanke erhärtet sich immer mehr in den Kopf, wenn man die Gespräche reflektieren lässt. Doch nicht alle in Österreich haben ein positives Bild über das virtuelle sporteln. So schrieb der Journalist Florian Vetter, nachdem ein österreichischer Jugendlicher sich in einem E-Sporttitel zum Weltmeister krönte:

„Die E-Sport-Szene fordert Anerkennung und Förderung. Aber warum etwas unterstützen, das keinen gesellschaftlichen Nutzen bringt, aber individuell und global Schaden verursacht? Nicht alles, was fortschrittlich ist, ist auch zwangsläufig gut.“ Sieht dieser Autor einfach nicht die Möglichkeit der Zukunft, oder scheint er doch recht zu haben und die E-Sportwelt verschließt ihre Augen davor? Darauf hat aber Amon auch eine passende Antwort.

Ich verstehe die Bedenken, dass wenn Kinder keinen anderen Sport machen, wir eine sehr ungesunde Jugend heranziehen. Da helfen auch nicht die sporadischen Einwürfe von Sportlehrern, die sagen, E-Sportler sind in Camps, wo auf Ernährung und Sportlichkeit geachtet wird. 99 Prozent der Kids spielen zu Hause, wenn sie sich mit Freunden duellieren und das oftmals viel zu lange. Hier muss künftig eine Balance gefunden werden, wie man beides unter einen Hut bekommt.

Alexander Amon
Der Beitrag ist bereits im Februar auf ORFSport+ zu sehen gewesen.

Emotionalität

Doch den E-Sport auf das bloße Computerspielen zu reduzieren, wäre falsch. Es ist vor allem die Geschichte, die schon seit über Jahrtausenden von Jahren erzählt wird. Es sind die typischen Heldengeschichten, die bereits in der Antike erzählt worden sind.

Dieser Beitrag ist in meiner beruflichen Tätigkeit entstanden und soll die Heldengeschichte unterstreichen.

Neumann nennt im Gespräch einige Beispiele, von Jugendlichen, die sich während des Sports verletzt haben und in der körperlichen Einschränkung ihre neue Leidenschaft entdeckt haben. Mitunter sind es auch die Erzählungen, von denen in manchen Zeitungen steht, dass Spieler über Nacht durch das Videospielen zu Millionären geworden sind. Doch die Mehrheit wird sich ihren Lebensunterhalt mit E-Sport nicht verdienen können. Sowie wie die meisten Sportler, Künstler und viele andere Berufsfelder, die auch gerne nur einer selbstbestimmten Minute erlebt werden wollen.

So wirkt der E-Sport vielleicht auf den ersten Blick fremd und neuartig. Doch es sind dieselben Geschichten, über Erfolg, Misserfolg und Ruhm, wie sie auch in anderen Themenfeldern geschrieben werden. Aber vor allem ist es eine Freude, einer Tätigkeit, die mitunter die notwendige Kraft geben kann, um den Alltag zu bestehen.

Während sich die Gesellschaft im deutschen Sprachraum darüber streitet, ob E-Sport denn tatsächlich auch Sport sei, haben sich die Involvierten ihre eigene Welt erschaffen. Nicht die müßige und ewig dauernde Frage steht im Mittelpunkt, sondern viel mehr, wozu die Spezies Mensch imstande ist, wenn Überzeugung, Euphorie und Leidenschaft mit kaum einer finanziellen Unterstützung kämpfen müssen. Denn der E-Sport ist alles andere als eine Kultur, die es erst seit ein paar Jahren gibt, wie folgende Timeline beweist.

Interpretiert man die Worte von Amon, bedeutet es nichts anderes als, dass der E-Sport gekommen ist, um zu bleiben. So sollte die Gesellschaft, die Medien und vor allem Skeptiker dem Phänomen vielleicht weniger kritisch gegenüberstehen, sondern die Chancen im E-Sport sehen, so wie dieser Beitrag.

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