Niklas Timmermann ist einer der profiliertesten Köpfe im deutschsprachigen eSport. Als „Need for Speed“ EPS-Spieler begann seine erfolgreiche Laufbahn im eSport. Außerdem managte er die Organisation ALTERNATE aTTaX, ist mittlerweile Manager bei SPROUT und außerdem Vizepräsident beim ESPORTS-Bund Deutschland e.V. Es gibt also viele Gründe dafür, die Gesprächsserie „Also sprach threNos mit“ mit ihm als ersten Gast zu beginnen.
Du konntest bereits Anfang der 2000er Jahre auf den EPS Finals Luft schnuppern. Gab es gleich von Anfang an Verständnis für deine Tätigkeit oder wie nahm es damals dein Umfeld wahr?
Das Verständnis für das Thema hat sich in den letzten Jahren in vielen Fällen um 180° gedreht. Früher musste man nahezu kämpfen, damit man mit eSports ernst genommen wurde. Heute gibt es für viele Leute fast nichts, was sie interessanter finden.
Hättest du dich damals schon selbst als eSportler bezeichnet? Oder war es bloß ein Hobby, dass du intensiv betrieben hast?
Damals haben wir uns tatsächlich Pro-Gamer genannt. Der Begriff eSportler kam erst später auf und ist wohl der Tatsache geschuldet, dass sich so viele Menschen etwas mehr unter der Begrifflichkeit vorstellen konnten. Betrieben habe ich es jedoch mit dem selben Ernst, wie eSport heute von den Profis betrieben wird.
Die eSports-Gesellschaft ist zurecht stolz darauf, dass eigene Kanäle geschaffen wurden um ihre Kultur voranzutreiben. Aber hat man vielleicht währenddessen versäumt, eSport der Gesellschaft, also einer breiteren Öffentlichkeit, näher zu bringen? Hat man vielleicht sogar fälschlicherweise gedacht, man könnte eine höhere Akzeptanz dadurch erreichen, indem man den Begriff Pro-Gaming einfach in den Begriff eSport umwandelt?
Ich glaube, viele Player haben in der Hinsicht sogar sehr gute Arbeit geleistet. Alex Müller von SK Gaming z.B. hat unermüdlich für das Thema geworben. Das beste Werben nutzt jedoch nur dann etwas, wenn es von der Gegenseite auch ernst genommen wird. Hieran ist es in vielen Fällen jedoch gescheitert.
Neben deiner Tätigkeit im eSport konntest du auch ein Jus-Studium absolvieren. Abgesehen von den vermeintlichen Benefits die Sportler erhalten, beispielsweise dem Zugang zu Sportlervisa, welche Gesetzesvorteile würde eine gesetzliche Anerkennung von eSports als Sportart noch bringen?
Natürlich hätten wir durch die Anerkennung auch große Vorteile für eSport-Vereine, da das Thema Gemeinnützigkeit für diese natürlich eine ganz andere Bedeutung hat, als das bei gewinnorientierten Unternehmen der Fall ist. Darüber hinaus kann dies natürlich auch die gesellschaftliche Akzeptanz fördern.
Jeder der sich mal mit Amateurfußball beschäftigt hat, wird schnell merken, dass dort ein gewisses Mäzenentum existiert. Eine Bandenwerbung bei einem Kreisliga/Landesliga-Verein verspricht in der Kommune einiges an Prestige. Der Mehrwert für die Firma/Unterstützer geht oftmals gegen Null. Im eSport hören einige Organisationen dann von der exakt selben Firma: „ihr müsst eure Reichweite steigern damit wir euch sponsorn können.“ Ein Widerspruch?
Das würde ich tatsächlich nicht so sehen, da die Reichweite meist nur ein vorgeschobener Grund ist. Mäzenentum findet ja vor allem aus lokaler Verbundenheit oder der Verbundenheit zum Sport statt, also auf emotionaler Ebene. Fehlt diese, so werden natürlich rationale Gründe für eine Ablehnung des Themas gesucht und gefunden.
Hat die eSports-Community einfach vergessen auf seine Vorteile gegenüber konventionellem Sport hinzuweisen? Denn im eSport muss nicht per se nach Geschlechtern getrennt werden. Auch die soziale Durchlässigkeit ist um ein Vielfaches höher. Denn während der Weg zu einer Karriere im konventionellen Profisport häufig das Verlassen der Heimat bedeutet, kann sich der eSportler „bequem“ von zu Hause aus in das internationale Spitzenfeld spielen.
Das Problem entsteht tatsächlich bereits vorher, da viele gesellschaftlich relevante Player sich immer noch nicht ernsthaft mit dem Thema beschäftigen wollen und auf ihren Vorurteilen beharren. Einerseits mag dies für Leute aus dem eSports unverständlich erscheinen, andererseits brauchen disruptive Entwicklungen einfach eine gewisse Zeit.
Die Kommentare vom DFB Präsident Grindel über den eSport, dass der eSport eine Verarmung sei, erinnern mich an einen Artikel über die Anfänge des Fußballs in Deutschland. Darin liest man vom Fußball als „englischer Krankheit“ bis hin zu „Fußlümmelei“. Ist es nicht eine Ironie der Geschichte, dass dann ausgerechnet der Fußballpräsident sich heutzutage dermaßen über den eSport brüskiert?
Der Fußball ist gefühlt des Deutschen höchstes Gut und mit über 3 Mrd. Euro ist er auch einfach wirtschaftlich ein Schwergewicht. Deswegen werden neue, potenziell gefährliche Entwicklungen natürlich besonders argwöhnisch beäugt. Eine Spaltung durch „eSoccer“ herbeizuführen und totgeglaubte Killerspieldebatten wieder auszugraben zeigt jedoch, dass man sich nie ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hat und dass selbst das gern propagierte „Ein-Platz-Prinzip“ anscheinend auch nur für Dritte, nicht aber den DFB selbst gilt.
In Dänemark gratuliert der Premierminister dem Team von Astralis zu einem Turniersieg, währenddessen flackert im deutschsprachigen Raum zum wiederholten Mal die leidige „Killerspiel“ Diskussion auf. Der Diskurs schreitet sogar so weit voran, dass Organisationen Probleme mit dem Wort „eSport“ haben, da dieser Begriff Gewalt beherberge. Warum ist es so schwer hier eine seriöse Diskussion zu führen?
Ich glaube, die Thematik auf einen Grund reduzieren zu wollen würde nicht tief genug greifen und wäre derselbe Populismus, der von einigen gegen das Thema verwendet wird. In den meisten Fällen ist es einfach das pure Unverständnis für das Thema, das eine Akzeptanz verhindert. In anderen Fällen kann es natürlich auch wirtschaftliche Gründe haben, da die Befürchtung gehegt werden könnte, Gelder würden aus anderen Bereichen abgezogen und in den globaleren und günstigeren eSport gesteckt. Die vom DFB hier eröffnete Moraldebatte halte ich ebenso für verfehlt, zumal das Thema Moral auch nur dann zu gelten scheint, wenn es nicht um den Stadionbau in Quatar oder den Kauf von Weltmeisterschaftsausrichtungen geht ;).
Du bist der Vizepräsident des eSports Verband Deutschland, inwieweit versucht ihr als Verband gegen solche Vorurteile entgegenzuwirken?
Natürlich ist Aufklärung hier der Schlüssel, soweit eine Belehrung denn möglich ist. Darüber hinaus muss man aber auch nicht über jedes Stöckchen springen, das einem Dritte hinhalten.
In Österreich ist die Sehnsucht nach einer Organisation wie dem ESBD groß, viele fühlen sich nicht ordentlich vertreten durch potenzielle heimische Anlaufstellen. Macht der ESBD vor den nationalen Grenzen halt?
Mit den WiseWizards und den Bluejays haben wir bereits 2 grenzübergreifende Teams bei uns im Verband und das werden nicht die letzten gewesen sein. eSports ist tatsächlich die erste wirklich grenzenlose Sportart und diese Grenzen nun künstlich herbeizuführen wäre ein Rückfall in altbewährte Muster und deren bereits bekannte Limitierungen.
Sollten wir uns evtl. sogar freuen wenn Angela Merkel die Esports-Community wie einst das Internet als „Neuland“ bezeichnen würde?
Tatsächlich würde ich mich sogar noch mehr freuen, wenn der GroKo Vertrag mehr als ein Lippenbekenntnis wäre und wir tatsächlich eine steuerliche Bevorzugung von kleinen Vereinen mit eSports-Abteilung erfahren würden!
Der erste Teil von „also sprach threNos mit“ findet mit dem ESBD und Sprout Manager Niklas Timmermann seine Premiere. Weitere Gespräche werden zukünftig auf alpenScene erscheinen.
Weiterführende Links: eSport-Bund Deutschland e.V.